Repression der Bevölkerung

Ein dunkles Kapitel der DDR ist die Unterdrückung von unerwünschten Personen der eigenen Bevölkerung durch das Ministerium für Staatssicherheit. Dabei führte das Ministerium die Vorgaben der SED-Parteiführung aus und beeinflusste dabei alle Lebensbereiche der Betroffenen. Besonders die Hauptabteilung XX (Politischer Untergrund) war hier federführend.

Auswahl der beobachteten Personen

Die DDR konnte sich ihre Bürger nicht aussuchen. Der Wunsch der SED-Partei- und damit der DDR Staatsführung war der Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft mit entsprechenden vorbildlichen sozialistischen Persönlichkeiten. Bürger, die sich klar gegen die SED positionierten, waren im Blick der Stasi. Aber auch Menschen, die sich von einer westlichen Lebensweise angezogen fühlten (z.B. durch Musik, Mode) wurden beobachtet. Aber selbst Kommunisten, die sich eine andere sozialistische Zukunft vorstellten, als die der SED, wurden verfolgt. Bei all diesen Personen unterstellte die SED-Führung, dass es sich bei diesen konterrevolutionären Einstellungen nicht um die Idee oder freien Willen des Einzelnen handelte, sondern dass hier westliche Drahtzieher dahinter wirken, um die DDR zu schädigen. Dieses fatale Missverständnis um den Willen des Volkes führte letztendlich dazu, dass der friedliche Volksaufstand im Herbst 1989 in dieser Größenordnung so überraschend für die Staatsführung kam.

Methoden im Wandel der Zeit

Im Zeitraum von der MfS-Gründung bis Anfang/Mitte der 1970er Jahre wurden bei der Ergreifung und „Umerziehung“ der Zielpersonen hauptsächlich körperliche Gewalt angewandt. „Feindlich-negative Kräfte“, wie unliebsame Personen im Stasi-Slang genannt wurden, sind von den Greiftrupps des MfS vorzugsweise in den frühen Morgenstunden in ihrer Wohnung verhaftet oder auch auf offener Straße entführt und in speziellen, als Lieferwagen getarnten Autos verschleppt worden. Meist landeten diese Leute dann irgendwann im MfS Untersuchungsgefängnis in Berlin Hohenschönhausen. Dort wurden sie Schlägen, Tritten und psychischem Druck  ausgesetzt. Verurteilte Bürger kamen dann häufig in das Stasi-eigene Gefängnis Bautzen II. Das Misstrauen der Stasi hörte auch gegen die eigenen Mitarbeiter nicht auf. So gab es z.B. Häftlinge, die als Spitzel ihre MfS Aufseher ausspionierten.

1973 wurde die DDR Mitglied der UNO und 1975 unterschrieb auch die DDR-Führung im Rahmen der KSZE-Schlussakte die Einhaltung von Menschenrechten und Grundfreiheiten auf ihrem Staatsgebiet. Eine offensichtliche Verfolgung von politischen Gegnern war damit nicht mehr so einfach umsetzbar. Anfeindungen aus dem kapitalisitischen Ausland, die Menschenrechte würden in der DDR nicht beachtet werden, wurden mit Gegenbeispielen beantwortet und in der SED-Öffentlichkeitsarbeit ein Bild der scheinheiligen Profitwelt in der BRD gezeichnet.
Die Methoden der Stasi-Verfolgung änderten sich und verlagerten sich zunehmend auf psychische Gewalt außerhalb von Haftanstalten auf eine sogenannte versteckte „Bestrafung ohne Urteil“.

Zersetzung nach MfS Richtlinie 1/76

Das Mittel der Wahl zur Bekämpfung von nicht SED-konformen Verhalten hieß nun Zersetzung. Dabei ging es um die Zerstörung von Vertrauen auf ganzer Front. Ziel dabei war es, feindliche Aktivitäten schon im Vorfeld zu erkennen und zu beseitigen, so dass keine strafrechtliche Verfolgungsprozess gestartet werden musste. Mit etwas Glück konnte die verfolgte Person umgedreht werden und arbeitete dann mit der Stasi zusammen.
Der Zersetzungsprozess war wie in einem Regiebuch individuell auf die Zielperson / Personengruppe zugeschnitten und betraf den gesamten Lebensbereich. Hierfür wurde das gesamte Umfeld der „feindlichen“ Person ausgekundschaftet und entsprechende Sozio-/Psychogramme erstellt. Dazu wurden neben Telefon- und/oder Video-Überwachung auch das Verwanzen von Wohnung, die vollständige Postkontrolle, das verdeckte oder teils auch offensichtliche Fotografieren der Person, die Bewegungskontrolle der Zielperson, ihrer Freunde und Verwandten, geheime Arbeitsplatzkontrollen, das Anwerben von inoffiziellen Mitarbeitern (z.T. aus der eigenen Familie des Opfers) zur Informationsgewinnung und Beeinflussung der Zielperson eingesetzt. Das war natürlich sehr aufwendig. Deshalb konnten pro Jahr „nur“ ca. 3.000 Personen zersetzt werden. Die Angst davor, in den Blick der Stasi zu gelangen war jedoch in einem viel größeren Teil der Bevölkerung verbreitet. Damit war schon das Abschreckungs-Ziel der Stasi zur Vermeidung von staatsfeindlichen Verhalten erreicht.

In der geheimen Stasi Hochschule für Offiziere wurden z.B. aufgrund aktueller psychologischer Erkenntnisse konkrete Handlungsanweisungen für die operative Tätigkeiten des MfS erarbeitet. Untersuchungen des menschlichen Verhaltens in verschiedenen Szenarien dienten z.B. der „sozialistischen Menschenführung“. Solche wissenschaftlichen Untersuchungen floßen in der Richlinie 1/76 mit ein. Darin wurden 7 „bewährte“ Grundformen und 5 Methoden zur Zersetzung beschrieben. Im Lehrmaterial der MfS-Hochschule wurden diese Verfahren auf praktische Fälle übertragen und konkretisiert.

Diese 5 bewährten Methoden der Zersetzung lesen sich wie ein Rezept zum organisierten Mobbing und bezogen sich:

  • auf die systematische Zerstörung des Ansehens, Prestige bzw. Rufes einer Person oder Gruppe
  • den gesellschaftlichen und/oder beruflichen Misserfolg einer Person zur Zerstörung des Selbstvertrauens dieser Person
  • die Erzeugung von Zweifeln an Idealen, Vorbildern oder persönlichen Perspektiven
  • das Erzeugen von gegenseitigem Misstrauen in Gruppen und Organisationen
  • dem Erzeugen bzw. Verstärken von Rivalistäten innerhalb einer Gruppe durch Ausnutzung indivdueller Schwächen, wie Neid etc.

Da durch das MfS alle Lebensbereiche durchdrungen waren, konnten diese Methoden sowohl im staatlichen Hoheitsbereich, wie polizeiliche Vorladungen zu einer Anhörung oder einer Reisegenehmigung, wie im beruflichen Bereich durch ständige Fehlleistungen z.B. durch manipulierte Maschinen, wie auch im privaten Bereich durch Abkehr von (Stasi-beeinflussten) Bekannten sein.
In der Summe konnten so ganze Persönlichkeiten zerstört werden. Den Selbstmord einer „zersetzten“ Person nahm das MfS billigend in Kauf.

Tagged , , , , , .Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.