Schulen

Schulformen in der DDR

Die Schulbildung in der DDR beruhte in der Regel auf den Besuch der allgemeinbildenden 10-klassigen polytechnischen Oberschule (POS). Im Anschluss daran konnte bei entsprechend guten Leistungen und der richtigen gesellschaftlichen und politischen Einstellung die erweiterte Oberschule (EOS) besucht werden, auf der man mit dem Abitur die Studienbefähigung erreichen konnte. Ein anderer Weg, das Abitur zu erreichen, war eine 3-jährige Ausbildung mit Abitur oder die Abendschule.

Das Schuljahr begann immer am 1.September und dauerte bis Ende Juni / Anfang Juli. Dazwischen lagen die Sommerferien. Die Einschulung der 6-7jährigen ABC-Schützen erfolgte ebenfalls am 1. September.
Die Schulwoche dauerte analog zur Arbeitswoche von Montag bis Sonnabend. Erst ab 1990 waren Samstag und Sonntag schulfrei. Die 1. Schulstunde eines Tages fing meist zwischen 7:00-8:00 Uhr an. Eine Unterrichtsstunde dauerte 45 min.

Der Lehrplan und die damit verbundenen Unterrichtsmittel (Lehrbücher usw.) waren republikweit gleich. So wurde angestrebt, dass jeder Schüler in einem Schuljahr das gleiche Wissen mit dem gleichen Lehrbuch vermittelt bekam. Es gab die Noten 1 (sehr gut) bis 5 (ungenügend).

Die Inhalte des Lehrstoffs waren sehr auf praktische und ideologische Dinge ausgerichtet. So waren selbst in den Mathematikbüchern Bilder mit NVA-Soldaten abgedruckt. Überhaupt waren alle Fächer mit Inhalten von Armee, Sozialismus und DDR in irgendeiner Weise durchsetzt. Nicht zu Vergessen ist die große Rolle der staatlichen Jugendorganisationen in allen Bereichen der Schule. Nach Auffassung der marxistisch-leninistischen Pädagogik war die Herausbildung eines sozialistischen Bewusstseins bei allen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen die entscheidende Voraussetzung für den erfolgreichen Aufbau des Sozialismus/Kommunismus. Ziel war es, das Kind so zu formen, dass es sich als DDR-Bürger mit den Zielen des Sozialismus (der SED) identifizieren und später als Erwachsener alles für das Erreichen dieser Ziele geben wird.

Die Polytechnische Oberschule (POS)

Die POS war für die Regelschulzeit über 10 Klassenstufen ausgelegt. Die Klassenstärke in der Oberstufe war auf 20-30 Schüler bemessen. In der Regel verließ man nach den Abschlussprüfungen die Schule nach der 10. Klasse mit der mittleren Reife.

Schulpflichtig wurden alle Kinder, die vom 01. Juni des Vorjahres bis zum 31. Mai des laufenden Jahres 6 Jahre alt wurden. Kinder zurückstellen zu lassen war schwieriger (von den den Eltern aus gesehen) als heute. Der Besuch einer Vorschule war Pflicht. Entweder wurde diese in den Kindergartenalltag integriert oder die Kinder mussten eine Vorschulgruppe in einer nahen Schule meistens für 3 Stunden wöchentlich besuchen.

Die Einschulungen fanden republikweit am Samstag nach dem 01. September statt. Die Schule begann einheitlich am 01. September (außer dieser fiel auf einen Freitag und Samstag). Bei der Einschulung wurde von den Kindern, die gerade das erste Schuljahr beendet hatten, ein kleines Programm vorgetragen. Dann wurden die Kinder Klassenweise aufgerufen und gingen in Zweierreihen in die Schule und in den Klassenraum. Auf dem Schulhof wurden die Schultüten überreicht. Für diese Einschulungen wurden meist Turnhallen, Aulen oder Kulturhäuser genutzt.

Ein Klassenkollektiv blieb meist von der 1. bis zur 10. Klasse zusammen. Manchmal wurden auch Klassen zusammengelegt, Schulen geschlossen oder umfunktioniert, dann wurden die Schüler auf andere Schulen in der Nähe verteilt. Ab- und Zugänge an Schülern, gab es oft durch Umzüge der Eltern.

Grundstufe

Die Grundstufe umfasste die Klassen 1 bis 4. Meist waren diese Klassen gesondert auf den unteren Etagen oder in extra Gebäuden untergebracht, oft mit Schlafräumen für die ersten Klassen und den Horträumen. Eine Grundschullehrerin hat die Kinder bis zur 4. Klasse geführt.
Für die Grundschüler stand ein Hortplatz (Frühhort vor dem Unterricht und Späthort nach dem Unterricht) an der Schule zur Verfügung. So wurde eine fachkundige Betreuung der Schüler durch feste Hortbetreuerinnen in der Regel von 6:00 Uhr bis 17:00 Uhr gewährleistet. Neben gemeinsamen Mittagessen, Mittagsruhe, Hausaufgabenbegleitung wurde im Hort auch gespielt.
Fast alle Grundschüler waren als Jungpioniere Mitglied in der staatlichen SED-Jugendorganisation der Ernst-Thälmann-Pioniere.

Für begabte Kinder bestand die Möglichkeit nach der 2.Klasse auf eine Sprachbegabten „Russischschule“ zu wechseln. Dort wurde zusätzlich zu den anderen Fächern Russisch ab der 3. Klasse gelehrt. Diese Schulen führten bis zur 12. Klasse und damit zum Abitur-Abschluss.

Da die DDR nach Willen der SED ein Arbeiter- und Bauernstaat war, sollten die Werktätigen als Freunde und Paten der jungen Schüler angesehen werden und so eine Verbundenheit hergestellt werden. Zu diesem Zweck hatte jeder Klassenverband eine Patenbrigade aus einem Betrieb oder einer LPG. Diese Patenbrigade besuchte die Klasse in der Schule, unterstützte diese bei vielfältigen Aktivitäten, zeigte den eigenen Betrieb und richtete auch mal eine kleine Feier aus.

Mittelstufe

Die Mittelstufe umfasste die Klassen 5 bis 7, es gab eine/n neuen Klassenlehrer/in und die Wanderungen im Schulgebäude begannen. Jede Stunde fand in einem anderen Fachraum statt. Der Klassenraum war ein entsprechend zugeordneter Fachraum.
Die Schüler der Mittelstufe waren fast alle als Thälmann-Pioniere Mitglied in der SED-Jugendorganisation.

Oberstufe

Die Oberstufe umfasste die Klassen 8 bis 10.
Die Schüler hier waren dann meist auch Mitglied der SED-nahen Organisation der „Freien Deutschen Jugend“ (FDJ).

Unterrichtsfächer:

Die POS unterteilte sich in Unterstufe und Oberstufe. In der Unterstufe wurden folgende Fächer gelehrt:

Deutsch
…Lesen
…Schreiben
…Rechtschreibung
…Grammatik
…Ausdruck
Heimatkunde
Mathematik
Werkunterricht
Schulgartenunterricht
Zeichnen
Musik
Sport
fakulativ Nadelarbeit

In der Oberstufe wurden folgende Fächer gelehrt:

Deutsche Sprache
…Literatur
…Muttersprache
Russisch ab Klasse 5
Mathematik
Physik ab Klasse 6
Astronomie nur Klasse 10
Chemie ab Klasse 7
Biologie ab Klasse 6
Geographie ab Klasse 5
Werkunterricht bis Klasse 6
Einführung in die
sozialistische Produktion (ESP)
ab Klasse 7
Technisches Zeichnen (TZ) Klasse 7 und 8
Produktive Arbeit (PA / UTP) ab Klasse 7
Geschichte ab Klasse 5
Staatsbürgerkunde ab Klasse 7
Kunsterziehung ab Klasse 5
Musik
Sport
Wehrunterricht Klasse 9 und 10
fakulativ Englisch, Französisch

Klasse 10: 2 Stunden pro Woche ein Wahlpflichtfach aus den bestehenden Fächern – zur Prüfungsvorbereitung

Die Fächer „Produktive Arbeit“ und „Einführung in die sozialistische Produktion“, sowie Technisches Zeichnen“ wurden meist außerhalb der Schulgebäude in Fabrik- oder Landwirtschaftsbetrieben gehalten und vermittelten Grundkenntnisse für das spätere Arbeitsleben.

Nach der 8. Klasse – konnten leistungsschwache Schüler die Schule verlassen und eine 3jährige Berufsausbildung in einfachen Berufen (meist Bauberufe) machen. Der Abschluss würde heute dem Hauptschulabschluss entsprechen. Viele dieser Schulabgänger haben später in der Abendschule die 9. und 10. Klasse nachgeholt.

Der direkte Leistungsvergleich besonders begabter Schüler wurde analog zu Sportarten auch in einigen Unterrichtsfächern durchgeführt. So gab es z.B. Russisch- oder Mathematik-Olympiaden, bei denen sich die Besten auf Orts-, dann Kreis- und Bezirksebene miteinander messen konnten. Zur Vorbereitung auf diese Wettkämpfe gab es auch entsprechende Vorbereitungslager.

Die Klasse 10 endete mit Abschlussprüfungen in Deutsch, Mathematik, Sport (Leichtathletik und Turnen), Russisch, Biologie und Chemie oder Physik.
Außerdem gab es noch in mindestens 2 bis maximal 5 Fächern mündliche Prüfungen. Dabei waren alle Oberstufen-Fächer möglich.
Es gab dann ein Abschlusszeugnis mit dem entsprechenden Prädikat (Mit Auszeichnung = Durchschnitt 1,0; sehr gut; gut; befriedigend und bestanden), heute entspricht dies der Mittleren Reife oder dem Realschulabschluss.

Außerdem gab es noch Schulen für Leistungssportler (siehe auch Kinder- und Jugend Sportschule) oder Sonderschulen für Blinde, Gehörlose und Lernbehinderte, diese Schulen waren dann mit einem angeschlossenen Internat ausgestattet.

Besonderheiten im Unterricht

Zu Stundenbeginn mussten alle Schüler an ihren Plätzen stehen und auf den Lehrer warten. Ein Schüler meldete dann die Anzahl der anwesenden Schüler und nannte die Namen und Entschuldigungen der fehlenden Schüler. Erst wenn der Lehrer begrüßt war (z.T. mit einem Lied), durfte sich gesetzt werden.

Einige Fächer wirken sicherlich sehr eigenartig.

Staatsbürgerkunde war für die Formung der sozialistischen Persönlichkeit ausgelegt und sollte die ideologischen Grundlagen und Vorzüge des Sozialismus vermitteln. Es ist am ehesten mit der heutigen Gesellschafts- oder Sozialkunde zu vergleichen.

Einführung in die sozialistische Produktion war eine Mischung aus Physik und Wirtschaftskunde. Produktive Arbeit ist so etwas wie die heutigen Praktika in Firmen, nur dass diese alle 2 Wochen für einen ganzen Schultag stattfanden. Da wurden z.B. Betonplatten für den Bau hergestellt oder Leiterplatten für Elektromaschinen bestückt.

Das Schulfach Wehrkunde für Jungen wurde durch Armee-Offiziere unterrichtet. Hier wurden Grundlagen für die Verteidigung der Republik im Fall eines Krieges vermittelt. Höhepunkt war dann ein 2- wöchiges Wehrlager in der 9. Klasse. Hier wurden durch Armeeangehörige mit den uniformierten Schülern in besonderen Lagern eine militärische Grundausbildung samt Marschieren, Tarnen, Sturmbahn, simulierten Gas- und Fliegerangriff, sowie Waffenpflege und Schießen mit der Kleinkaliber-Maschinenpistole 69 (als Übungswaffe für die Kalaschnikow AK-47) trainiert.

In dem Unterrichtsfach Zivilverteidigung für Mädchen und Jungen, welche aus gesundheitlichen oder religiösen Gründen keine Waffe bedienen wollten, wurden die Grundlagen für 1. Hilfe und Versorgung von Verletzten, sowie Gebäudesicherung im Kriegsfall trainiert.

Im Erdkunde Unterricht wurden ewig die Sowjetunion und die anderen sozialistischen Staaten durchgekaut, so das für den Rest der Welt nicht mehr viel Zeit blieb. Zur Bundesrepublik Deutschland (alte Bundesländer) gab es genau 3 Unterrichtsstunden…

Zur Erntezeit konnte es, gerade in ländlicheren Gegenden, auch mal dazu kommen, dass der Unterricht ausfiel und die Schule geschlossen einen Ernteeinsatz bei der LPG durchführte. So wurden dann z.B. Kartoffeln von sehr steinigen Feldern gelesen. Pro gesammelten Korb gab es dann später auch ein paar Pfennige als Lohn.

Die Klassenräume wurden ab der Klasse 5 von den Schülern selbst gereinigt, d. h. täglich ausfegen und 1 mal die Woche wischen. Die Schüler der Klassenstufen 9 und 10 wurden in den Pausen als Ordnungsdienst eingeteilt und hatten auf dem Pausenhof dafür zu sorgen, dass keine Schlägereien oder ähnliches stattfanden.

An den Nachmittagen wurden verschiedene Arbeitsgemeinschaften angeboten, an denen jeder unentgeltlich teilnehmen konnte. Alle 2 Wochen mittwochs fand der Pionier- oder FDJ-Nachmittag statt. An der Schule wo ich unterrichtet wurde, wurde es nicht so ernst genommen. Diese Nachmittage wurden oft zu Weihnachtfeiern, Faschingsfeiern, Spielnachmittagen und der Gleichen umfunktioniert, mit Sozialismus und Politik hatte das gefühlt nur zu ca. 20 % zu tun. Diese Nachmittage wurden auch für Exkursionen genutzt.

Religionsunterricht gehörte nicht zum Lehrplan. Wer dorthin wollte, musste sich in seiner Freizeit damit beschäftigen.

Erweiterte Oberschule (EOS)

Die erweiterte Oberschule führte entsprechend begabte Schüler zur Studienreife (Abitur).
Man konnte bis 1984 nach der 8., ab 1984 nach der 10. Klasse zur EOS wechseln. Hierfür wurden die 2 bis 4 leistungsstärksten Schüler eines Jahrgangs der Schule vom Lehrerrat ausgewählt und für die Erweiterte Oberschule (gymnasiale Oberstufe mit verschiedenen Ausrichtungen) delegiert. Dort konnte man nach der Klasse 12 das Abitur machen. Neben den schulischen Leistungen war auch die persönliche Einstellung zum Sozialismus ein Kriterium, ob man an der EOS weiter lernen durfte. Kriminelle Auffälligkeiten, Verweigern der Jugendweihe oder abfällige Äußerungen gegen den DDR-Staat oder die SED verhinderten eine EOS-Ausbildung. Im Gegenzug wirkte sich eine Verpflichtung zum Armeedienst über mindestens 10 Jahre jedoch sehr positiv auf eine EOS-Delegation aus. So konnte man als Junge auch mit schlechteren Noten auf die EOS gelangen.

Der Lernaufwand war sehr hoch. Zu dem Schulpensum von 33-38 Unterrichtsstunden in der Woche kamen natürlich noch die Hausaufgaben hinzu.

Die Prüfungsmodi entsprachen denen der POS-Abschlussprüfung, aber natürlich mit höheren inhaltlichen Anforderungen.

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